Das Rektorat muss sich eindeutig zur Umsetzung der Abschaffung der Anwesenheitspflicht festlegen!
Am Donnerstag, 30.10.2014, fand eine Infoveranstaltung des AStA der Ruhr-Universität zur Abschaffung der Anwesenheitspflicht statt, bei der die Prorektorin für Lehre Uta Wilkens die Haltung des Rektorats erläuterte. Die Anwesenheitspflicht wurde per Landesgesetz abgeschafft. Im Text des „Hochschulzukunftsgesetzes“ ist explizit keine Übergangsfrist für diese neue Regelung vorgesehen. Wir haben es also mit gültigem Recht zu tun.
Das Gesetz schreibt eindeutig vor, dass bei bestimmten Veranstaltungen weiterhin eine Anwesenheitspflicht bestehen kann, aber natürlich nicht muss. Diese Ausnahmen von der Regel sind:
Exkursionen, Sprachkurse, Praktika, praktische Übungen und vergleichbare Veranstaltungen. Siehe: § 64 (2a) Hochschulzukunftsgesetz.
Generell sind aber Anwesenheitspflichten für Studierende in Lehrveranstaltungen ein „Verstoß gegen § 64 (2a)“ wie aus den „Einführungshinweisen zum HZG“ des Minsteriums eindeutig hervorgeht. Die Haltung der Prorektorin bei der Diskussionsveranstaltung zielte vor allem darauf ab, die Ausnahmen möglichst weit auszulegen. Besonders den letzten Punkt in der o.g. Ausnahmeregelung aus dem HZG scheint die Hochschulleitung als Einladung zu weitreichender Interpretation misszuverstehen: „vergleichbare Veranstaltungen“. Was unter „vergleichbaren Veranstaltungen“ zu verstehen ist, definiert das Ministerium wie folgt:
„Vergleichbar kann eine Lehrveranstaltung nach Sinn und Zweck jedoch nur dann sein, wenn deren prägendes Hauptlernziel, welches durch die Modulhandbücher und andere der Akkreditierung zugrundeliegende Texte förmlich bestimmt wird, gerade in der Einübung des wissenschaftlichen Diskurses besteht. Sobald es mindestens in gleichem Maß um die Vermittlung von fachlichen Kompetenzen und Fähigkeiten geht, liegt eine vergleichbare Lehrveranstaltung im Sinne des § 64 Absatz 2a Hochschulgesetz dagegen nicht vor.“ (Quelle: Einführungshinweise HZG)
Prorektorin Wilkens spannte nun einen weiten Bogen vom Tatbestand des „Einübens eines wissenschaftlichen Diskurses“ bis hin zu hochschulinterner Demokratie. Ihrer Meinung nach müssen nun im Wintersemester – quasi während des laufenden Lehrbetriebs – die Unigremien aktiv werden und definieren, wann eine Veranstaltung diesem Kriterium entspricht. Sie könne ja nicht von oben herab beurteilen, welche Veranstaltung eher „diskursiv“ und welche eher „wissensvermittelnd“ sei. Überhaupt sei ja der Diskurs vom inhaltlichen Fachwissen kaum zu trennen.
Dieser Ansicht kann sich die Juso-Hochschulgruppe nicht anschließen. Die Ausnahmen, unter denen eine Anweseheitspflicht gegeben sein kann, sind vom Gesetz und der Gesetzesbegründung äußerst restriktiv definiert. Wenn es sich nicht um eine Exkursion, einen Sprachkurs, ein Praktikum oder eine explizit als solche angekündigte praktische Übung handelt, besteht für die Studierenden keine Anwesenheitspflicht mehr. Die Ausnahmefälle können auch nicht im laufenden Wintersemester nachträglich durch Änderung der Modulhandbücher definiert werden. Diese Regelungen können frühestens ab dem Sommersemester gelten.
Für diese Ausnahmen hat das Ministerium auch noch klare Regeln vorgegeben, die alle zusammen erreicht werden müssen, falls eine Veranstaltung ausnahmsweise anwesenheitspflichtig sein soll:
Anwesenheitspflichten sind nur erlaubt,
- wenn die Veranstaltung auf eine Teilnahme von weniger als 20 bis 30 Personen angelegt ist,
- die Voraussetzungen bestehen einen wissenschaftlichen Diskurs einzuüben,
- ausnahmsweise sind
- klar vergleichbar sind
- ohne Anwesenheitspflicht das Lernziel NICHT erreicht werden kann.
Wenn alle diese fünf Punkte erfüllt sind, selbst dann sind Anwesenheitspflichten nur AUSNAHMSWEISE erlaubt.
Wir fordern Rektor Weiler auf, Rechtssicherheit für alle Studierenden in puncto Anwesenheitspflicht herzustellen. Herr Weiler muss nun unverzüglich klarstellen, dass es bis auf die gesetzlich geregelten Ausnahmen (Exkursionen, Sprachkurse, Praktika, praktische Übungen) keine Anwesenheitspflichten in Lehrveranstaltungen im Wintersemester geben wird. Sollten während des Wintersemesters von Hochschulgremien Ausnahmen erarbeitet werden („vergleichbare Veranstaltungen“), können sie frühestens und erst nach eingehender Prüfung für das Sommersemester 2015 geltend gemacht werden.
Was wir Jusos nun konkret tun werden:
1. In den nächsten Tagen werden wir hier auf unserer Homepage die relevanten Gesetzespassagen, Begründung und Erläuterungen online stellen. Dann könnt Ihr als betroffene Studierende, Fachschaften oder allgemeine Interessierte direkt nachlesen und Euch selbst ein Bild machen, was klar im Gesetz geregelt und intendiert ist.
2. Wir haben heute im AStA einen Antrag gestellt, der es jeder Studierenden und jedem Studierenden ermöglicht, mit Rechtskostenhilfe des AStA gegen den Ausschluss aus einem Seminar oder den Ausschluss von einer Prüfungsleistung zu klagen, der aufgrund der nicht mehr existierenden Anwesenheitspflicht erfolgt oder erfolgen könnte. Wir wollen keinen Studierenden und keine Studierende im Regen stehen lassen, der oder die sich gesetzeskonform verhält und nur zum Seminar geht, wenn er oder sie es auch für sinnvoll hält – denn das besagt das neue Hochschulgesetz!
3. Wir werden unseren direkten Draht über die SPD in den Landtag nutzen, um die unserer Meinung nach rechtswidrige Auffassung des Rektorats unserer SPD-Ministerin Svenja Schulze zur Kenntnis zu bringen, um unser Rektorat in die Zone der Legalität zurück zu zwingen.
Am Montag dieser Woche hat das Wissenschaftsministerium bereits auf unsere Hinweise reagiert und eine eindeutige Stellungnahme offiziell online gestellt. Für alle Studierenden, die ihr Glück noch nicht fassen, und für alle Lehrenden, die ihre defensive Haltung zum neuen Gesetz noch überwinden müssen, hier der Link des Ministeriums, der eindeutig klar macht, dass die Gesetze der NRWSPD nicht von Frau Wilkens interpretiert, sondern einfach nur befolgt werden müssen:
http://www.wissenschaft.nrw.de/hochschule/hochschulrecht/hochschulzukunftsgesetz/verbot-der-allgemeinen-anwesenheitspflicht-in-lehrveranstaltungen/
Das Hochschulzukunftsgesetz (HZB):
https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_vbl_detail_text?anw_nr=6&vd_id=14567&menu=1&sg=0&keyword=hochschulzukunftsgesetz
Das HZG mit Gesetzesbegründung:
http://www.wissenschaft.nrw.de/fileadmin/Medien/Dokumente/Hochschule/Gesetze/HZG_mit_Begründung.pdf